Offene Standards: Technologien standardisiert zugänglich machen

27.05.2020 von Claudia Jach

Offene Standards: Technologien standardisiert zugänglich machen

Code for Germany fordert bei digitalen Anwendungen der öffentlichen Hand Offene Standards. Das sind formalisierte Verfahren, wie Technologien und Daten strukturiert werden, um sie nachvollziehbar und weiter bearbeitbar zu machen. Zuletzt haben wir in unserem Handbuch zu Krisenresilienz von Verwaltungen dafür plädiert, Offene Standards bei der Verwaltungsdigitalisierung zu nutzen, um Open Government durchzusetzen und um Verwaltungen dadurch im Austausch mit der Zivilgesellschaft ihre Handlungsfähigkeit zu sichern.

Was sind Offene Standards?

Ein Offener Standard ist zunächst ein technischer Standard, der in Freier und Offener Software eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um eine Einigung auf eine gemeinsame Norm, die es ermöglicht, Informationen frei und ohne Veränderungen zu speichern (Format) oder zu übertragen (Protokoll). Das bedeutet, dass andere Menschen auf die Technik oder Inhalte Dritter aufbauen oder sie in anderen Kontexten weiterentwickeln können. Im Gegensatz dazu stünde ein ‘geschlossener’ Standard, also z. B. eine proprietäre Anwendung, an der nur ein bestimmtes Unternehmen die Rechte hat, Veränderungen vorzunehmen oder überhaupt den Code einzusehen. Der Gedanke hinter Offenen Standards ist also der gleiche wie hinter Offener Software und Offenen Daten: Sie sollen öffentlich zugänglich, ihre Verwendung nicht rechtlich oder technisch eingeschränkt sein und die Beteiligung von Dritten ermöglichen. In der Zukunft könnten Offene Standards auch maximale Interoperabilität hervorbringen. Praktisch könnte dies bedeuten, dass eine Person mit Messenger A einer Person mit Messenger B schreiben könnte und zwar ohne, dass die andere den jeweils neuen Messenger installieren müsste. Bei E-Mails ist dieser Austausch zwischen verschiedenen Anbietern bereits möglich.

Wie helfen Standards den Nutzer*innen von Anwendungen?

Aus vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen sind Standards kaum noch wegzudenken. Der Euro ist ein Währungsstandard, mit dem wir in gegenwärtig 19 Ländern zahlen, ohne Währungen tauschen zu müssen. Der Standard DIN A4 steht für eine bestimmte Papiergröße, bei der die meisten genau wissen, welches Format gemeint ist. Auf EU-Ebene gibt es seit einiger Zeit eine Diskussion darum, die Ladekabel bei Mobiltelefonen zu vereinheitlichen. Das würde die Abschaffung unseres heimischen Kabelsalats bedeuten und positive ökologische Auswirkungen haben. Es gibt auch bereits etablierte Offene Standards in der Softwareentwicklung, wie Open311, ein internationaler IT-Schnittstellenstandard, über den Daten maschinell ausgelesen werden können. Er ist zum Beispiel im Mängelmelder der Stadt Bonn eingebaut, über den Bürger*innen u. a. defekte Ampeln melden können. Offene Standards dieser Art sollen unserer Meinung nach in vielen anderen Bereichen auch etabliert werden.

Herausforderungen für die Civic-Tech-Community

In der (Civic-)Tech-Community herrscht aber keineswegs Einigkeit darüber, ob die Interoperabilität von Offenen Standards zwangsläufig auch die gewünschten positiven Effekte z. B. im Hinblick auf Datenschutz und Zugangsmöglichkeiten erwirkt. Denn mehr Verflechtungen zwischen einzelnen Anwendungen erhöhen auch die Komplexität. Es braucht mehr Menschen, die genau hinsehen, ob in einer Anwendung auch das drin ist, was drauf steht. Nutzende, die weniger Verständnis von Technik haben, sind dann umso mehr darauf angewiesen, dass eine engagierte und starke Civic-Tech-Community diese wichtige Aufgabe für sie übernimmt. Dies bewerkstelligt die Community bereits im Bereich Freier und Offener Software. Viele Menschen nutzen diese Software, weil sie ihnen mehr Unabhängigkeit und Flexibilität ermöglicht. Sie verlassen sich auf deren Einschätzung und Überprüfung durch die digitale Zivilgesellschaft. Diese Leistungen werden in der Regel unentgeltlich und in der Freizeit erbracht. Deshalb fordern wir eine entsprechende Unterstützung der Ehrenamtlichen und staatliche Förderung für digitale Infrastruktur.

Praktische Anwendungsmöglichkeiten

Auf der anderen Seite ist es genau diese Form von Freiheit in der Weiternutzung von Software, die Innovationen befördert, die Abhängigkeit von einzelnen Herstellern verhindert, demokratische Teilhabe ermöglicht und auch einen Beitrag zum Schutz unserer Umwelt leistet. Bei Code for Germany betrachten wir Offene Standards vor allem im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Verwaltungen und Bürger*innen. Offene Standards ermöglichen es der Zivilgesellschaft, politisches Handeln besser zu kontrollieren und Verwaltungsbeschlüsse einfacher nachzuvollziehen - und das alles über die Grenzen der eigenen Kommune oder des eigenen Landes hinweg.

Gute Beispiele dafür gibt es bereits: Das Projekt OParl setzt sich für die Möglichkeit eines einheitlichen Zugriffs auf die Ratsinformationssysteme deutscher Kommunen ein. Mit der standardisierten Schnittstelle, für die das Projekt wirbt, können Informationen neu kombiniert und neuen Zwecken zugeführt werden. Die Seite Kleine Anfragen hat das Gleiche mit den Kleinen Anfragen aus den Parlamenten von Bund und Ländern gemacht. Mit Kleinen Anfragen haben Abgeordnete die Möglichkeit, Informationen von der Regierung zu bekommen und dadurch parlamentarische Kontrolle auszuüben. Ein Offener Standard in den jeweiligen Portalen von Bund und Ländern würde über entsprechende Schnittstellen das Auffinden von Informationen erheblich vereinfachen und damit auch die Zivilgesellschaft stärken.

Neben technischen Gesichtspunkten hat es also auch ganz klare gesellschaftliche Vorteile, Offene Standards in der Verwaltungsdigitalisierung einzufordern. Auch wenn nicht alle von uns in der Lage sind, die Offenen Standards technisch zu nutzen, profitieren wir trotzdem von den Informationen und Möglichkeiten, die daraus entstehen und die über Aktive wie bei Code for Germany für die Gesellschaft entwickelt werden.