Öffentliche FOSS-Plattform? - Ideen zu Nutzen und Umsetzung

27.07.2020 von Claudia Jach

Die Open Source Business Alliance und Vitako haben mitgeteilt eine Plattform zur Sammlung und zum Austausch von Open-Source-Software für die öffentliche Verwaltung einzurichten. Was kann die Gründung einer solchen Plattform für Freie und Offene Software (FOSS) von und für die öffentliche Verwaltung nach dem Vorbild von z. B. code.gov aus den USA bewirken? Wie kann ein solches Vorhaben erfolgreich sein? Die öffentliche IT-Landschaft in Deutschland zeigt: Die Einrichtung an sich wird kaum etwas ändern, wenn sie nicht an bestimmte Bedingungen geknüpft wird.

Vorteile Freier und Offener Software (FOSS)

Die Idee bei einer öffentlichen FOSS-Plattform ist zunächst, dass dort FOSS für alle zugänglich gemacht wird, um Verwaltungen Alternativen für proprietäre Software zu bieten. FOSS ist nachhaltig, bietet Flexibilität, befördert Kollaboration und Vernetzung, ist u. a. dadurch kostengünstiger als proprietäre Produkte und kann Verwaltungen mehr Handlungsfähigkeit bieten.

FOSS ermöglicht, dass ein Programm den eigenen Wünschen und Bedürfnissen entsprechend gestaltet werden kann. Der gleiche Code kann also für verschiedene Zwecke eingesetzt werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Lizenzen von FOSS es zulassen, dass Programme mit anderen geteilt werden können, dies kann eine enorme Kostenersparnis für die öffentliche Hand bedeuten. Insbesondere da bereits geänderte Versionen weiter verbreitet werden können. All dies ist mit proprietärer Software nicht oder nur unter erheblichem Kostenaufwand und dem Wohlwollen gewinnorientierter Unternehmen möglich. Dadurch, dass der Quelltext von FOSS für alle zugänglich ist, sind wir in der Lage, andere an unseren Best Practices und Weiterentwicklungen teilhaben zu lassen.

Hindernisse beim Zugang und Einsatz von FOSS

Trotz dieser Vorteile setzen die meisten Verwaltungen in Deutschland zum großen Teil auf proprietäre Software-Produkte. Sei es, weil sie vor dem einmaligen Aufwand eines Wechsels und den Folgekosten in der Anpassung ihrer Systeme zurückschrecken, sie an Verträge mit großen Software-Unternehmen gebunden, ihnen keine Alternativen bekannt sind oder sie sich vor Kompatibilitätsproblemen mit den proprietären Produkten anderer Verfahren in der Verwaltung sorgen. Auch die eigene Entwicklung von Software und deren Öffnung im Sinne der Forderung „Public Money? Public Code!“ ist in Deutschland bisher immer noch kein Alltag. Im Gegenteil besteht wie oben dargelegt, die erste Hürde bereits in der Anwendung bestehender FOSS. Dabei gäbe es jetzt schon Möglichkeiten, den Quelltext von mit öffentlichen Geldern entwickelter Software für die Allgemeinheit zur Verfügung zu stellen. Mit z. B. GitHub, einer Plattform auf der Entwickler:innen ihren Code teilen können, gibt es eine Plattform, auf der bereits einige wenige öffentliche Verwaltungen wie das Bundesarbeits- oder Bundesfinanzministerium Quelltext zur Verfügung stellen. Die Plattform GitHub ist aber privat, also keine staatlich-geförderte, selbst-gehostete Infrastruktur. Damit stehen Nutzende und die Existenz der Plattform selbst in einem großem Abhängigkeitsverhältnis zu einem Unternehmen.

Vorteile einer öffentlichen Plattform

Ohne die entsprechenden Plattformen ist das Teilen von FOSS viel schwieriger und auf eine kleinere, „eingeweihte“ Gruppe von Menschen bzw. Behörden beschränkt. Der dezentrale Faktor von FOSS kann deshalb von einer zentralen und sichtbaren Instanz profitieren, die die Auffindbarkeit von Produkten verbessert und die Suche erleichtert. Mit einer Plattform der öffentlichen Hand können sich Verwaltungen über alle föderalen Ebenen hinweg miteinander vernetzen und erfolgreiche Open Source Tools breitenwirksam zum Einsatz bringen. Das setzt den politischen Willen voraus, in eigene IT-Infrastruktur zu investieren und dies dann auch tatsächlich umzusetzen. Zudem wird durch Plattformen der Austausch zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft befördert (aber nur, wenn entsprechende Beteiligungsstrukturen mitgedacht werden). So kann die Expertise, z. B. der Civic-Tech-Community dazu führen, dass Softwareprojekte besser an den Bedürfnissen der Nutzer:innen und gemeinwohlorientierter gestaltet werden. Eine Plattform lebt also von der Community, die mit ihr verbunden ist: Nach innen mit den Verwaltungen selbst sowie nach außen mit der digitalen Zivilgesellschaft. Auch hier müssen personelle Ressourcen für die Plattform ansetzen, so dass hauptamtliche Entwickler:innen mit Journalist:innen, Aktivist:innen und anderen Mitwirkenden der (digitalen) Zivilgesellschaft zusammengebracht werden und Austausch entsteht.

Für Politik und Verwaltungen hat eine solche Plattform und die Kollaboration, die sie ermöglicht, nicht zuletzt den Vorteil, dass das Vertrauen in den Staat und seine Software-Produkte gesteigert wird, da Zweck und Funktionen von Anwendungen unabhängig überprüft werden können. Die erlangte Transparenz stärkt die demokratische Rechenschaftspflicht und entfaltet so über das jeweilige Produkt hinaus gesellschaftlichen Mehrwert. Verwaltungen erhalten die Souveränität über ihre eigenen Daten zurück, indem sie in der Wahl ihrer Software darauf achten können, wer welche Daten speichert oder verarbeitet. Sie können regionale Unternehmen stärken, die sie mit dem Um- bzw. Aufbau und der Instandhaltung ihrer IT-Infrastruktur beauftragen. Auch wenn hier zunächst Investitionen in den Umbau der Verwaltung benötigt werden, werden die langfristigen Kosten durch FOSS erheblich gesenkt. Verwaltungen erhalten die Möglichkeit, ihre Software entsprechend ihrer Bedürfnisse einzurichten, damit die Nutzerfreundlichkeit zu steigern und ihre eigenen Arbeitsprozesse agiler zu gestalten.

Bedingungen einer erfolgreichen Umsetzung

Um die Vorteile von FOSS zu sichern, dürfen auf einer solchen Plattform die Anforderungen für eine Aufnahme nicht zu hoch sein, so dass auch kleinere Projekte profitieren. Dies ist in Balance zu halten mit einer entsprechenden Qualitätssicherung des abgelegten Codes (u. a. versioniert, open source). Dies erfordert zum Einen die Dokumentation durch die Entwickler:innen und andere Beteiligte. Hierzu gehört aber vor allem, dass von der öffentlichen Hand genügend finanzielle Mittel bereitgestellt werden, um die Plattform vor allem personell entsprechend der Anforderungen zu betreuen, den Code also zu verwalten (z. B. indem es konkrete Ansprechpartner:innen für die Sortierung von Issues, die Annahme von Pull Requests oder die Durchsetzung von Standards gibt). In diesem Zusammenhang sind bis zu einem bestimmten Grad auch automatisierte Qualitätsüberprüfungen denkbar.

FOSS für Verwaltungen für alle auf einer Plattform zugänglich zu machen, wird alleine aber keinen Wandel in unseren Verwaltungen bewirken. Wichtiger als die Einführung einer öffentlichen FOSS-Plattform ist die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltungen, FOSS in ihren Behörden einzusetzen. Software-Produkte, die sich dabei als besonders praktikabel erweisen, sollten über die Plattform nicht nur ausgezeichnet werden, sondern im Zweifel auch durch Dienstanweisungen in die Behörden gebracht werden. Mit dieser Konsequenz könnte nicht zuletzt auch ein Kulturwandel in den Verwaltungen eingeleitet werden. Hierzu gehört auch, dass die zentralisierte Sammlung von Code dafür genutzt wird, Standardisierungen zu schaffen und durchzusetzen. Des Weiteren sollte eine solche Plattform mit der Forderung „Public Money? Public Code!“ verbunden sein, nach der Verwaltungen in ihren Ausschreibungen zwingend darauf achten müssen, FOSS als Bedingung für die Investition öffentlicher Gelder zu machen. Entsprechende Richtlinien müssen verpflichtend in der Vergabe von Aufträgen aufgenommen und gesetzlich vorgeschrieben werden. Diese Bedingungen haben den Vorteil, dass letztlich nicht nur ein weiteres Tool, eine weitere Plattform geschaffen wird, sondern die Verwaltungen nachhaltig dazu ermächtigt werden, diese zu nutzen und FOSS zur Sicherung ihrer eigenen Souveränität einzusetzen.