Stückwerk statt Strategie – Out in the Open Juli 2022

Foto (nachbearbeitet) von Tim Mossholder auf pexels.com
04.08.2022 von Jörg Reichert - OK Lab Leipzig, et al.

OpenData zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Ein SWR2 Beitrag über das OK Lab Karlsruhe zeigt exemplarisch die Arbeit eines OK Labs:

  • verfolgen eher einen gesellschaftspolitischen Ansatz
  • Lobbyieren bei der Stadtverwaltung, dass mehr Daten offen gestellt werden, da sie helfen, die eigene Stadt besser zu verstehen und den Alltag verbessern
  • Bürgerbeteiligung mit offenen Daten ermöglichen
  • viele Projekte auf Grundlage offener Daten
  • Anbieten von Workshops für die interessierte Öffentlichkeit
  • die Verwaltung im Bereich des Digitalen anschieben

Und wenn eine Behörde wieder mit der Ausrede kommen sollte “Wir haben keine interessante Daten in unserer Behörde für externe Nutzer”, dann empfiehlt das Kompetenzzentrum Open Data “[…] andere darüber entscheiden zu lassen, welche Daten interessant sind. Häufig ergibt sich erst in Kombination mit weiteren Daten ein neuer Mehrwert.” Zudem bietet “Open Data […] Raum für eine verbesserte inter- und intrabehördliche Zusammenarbeit und trägt einen entscheidenden Beitrag zur Verwaltungsmodernisierung bei.”, wie im Open Data Handbuch des Kompetenzzentrums nachzulesen ist (danke, Mila, für den Hinweis).

Warum Öffentliche Verwaltungen, insbesondere deren Führungskräfte, OpenData leider immer noch abwehrend gegenüberstehen, kann man im Forschungsbericht von Yanik Elixmann und Juliane Jarke nachlesen.

Dabei ist beispielsweise in Berlin die Anzahl der Schriftlichen Anfragen (SA) der Berliner Abgeordneten an den Senat explodiert. Von knapp 6.000 auf fast 19.000 mehr als verdreifacht in wenigen Jahren - Gute Gründe für “OpenData by default”, wie FixMyCity meint, dann müssten alle Daten standardmäßig veröffentlicht werden und es entfiele der Grund für die vielen Anfragen. Daten nicht zu veröffentlichen, wäre dann der Ausnahmefall, der gut zu begründen wäre.

Transparenz

Aber Offenheit und Transparenz werden leider immer noch als Bedrohung gesehen: So säen Formulierung aus der Koalitionsvereinbarung von CDU/Grünen in NRW bezüglich einer möglichen Einführung eines Transparenzgesetz Zweifel am tatsächlichen Willen, wie FragDenStaat bemängelt. FragDenStaat selbst wurde im Juli die Antwort auf eine kritische Anfrage verweigert. So entschied die Pressekammer des Berliner Verwaltungsgerichts, dass Online-Recherche-Medien nicht zur Presse gehören, und damit das Recht nach dem Grundgesetz, dass Behörden Fragen der Presse beantworten müssen, FragDenStaat nur eingeschränkt zusteht. Um ein Zeichen gegen diese lächerliche Schikane zu umgehen, gibt es FragDenStaat nun auch gedruckt.

Digitalstrategie in Bezug auf OpenData

Nach einer Analyse aus dem ARD-Hauptstadtstudio gibt es jede Menge Zweifel am Digitalstrategie-Entwurf der Bundesregierung: “So sind beispielsweise bei der (Weiter)-Entwicklung einer Datenstrategie BMDV und BMI zusammen federführend, um die Umsetzung des europäischen Data Act muss sich das BMDV mit dem BMWK kümmern.” und “Hinter vorgehaltener Hand hört man zudem in manchen Ministerien, dass man in der Benennung von “Leuchtturmprojekten” für die Digitalstrategie eher eine PR-Idee sieht.”

Dabei stellte das Positionspapier des Deutschen Städtetages: Lichtermeer statt Leuchttürme - Digitalisierung in Kommunen nachhaltig fördern! bereits im Juni fest: “Die Stadt der Zukunft lässt sich nur mit guter Datengrundlage gestalten. Intelligente Mobilität und nachhaltiger Klimaschutz funktionieren nicht mehr ohne umfassende, rechtssichere und nachvollziehbare Datennutzung.”

Darüber hinaus orientieren immer mehr Städte, Kreise und Gemeinden ihre mittel- bis langfristige Entwicklung an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, SDGs). Zur Messung der Zielerreichung wurden dazu speziell SDG-Indikatoren für Kommunen entwickelt, die in der dritten Auflage des Indikatorenkatalogs (pdf) wieder aktualisiert worden sind. Auf dem SDG-Portal kann man solche Indikatoren entdecken und jeweils zwei Kommunen vergleichen. Dabei merkt man schnell, dass bei einigen Kommunen die für die Berechnung des jeweiligen Indikators benötigten Daten zum Teil veraltet, unvollständig sind oder ganz fehlen.

Als Ermutigung daher auch für kleine Kommunen: Auf OpenDataLand werden spannende Datenpioniere im ländlichen Raum und Best Practice-Open Data-Projekte aus den Städten vorgestellt, die sich zum Teil auch in ländlichen Kommunen umsetzen lassen.

Wie war das mit der OpenSource-Kultur?

Seit einigen Monaten gibt es mit opencode.de eine GitLab-Instanz, mit der die deutsche Verwaltung gemeinsam an OpenSource Software arbeiten möchte. Doch eine Open-Source-Software-Plattform macht leider noch keine Open-Source-Kultur. So wurde in etwa der Hälfte der auf der Plattform vorhandenen Projekte nach der initialen Bereitstellung kein neuer Code hinzugefügt, wie Lilith Wittmann analysierte. Daher gern der Hinweis an die Beteiligten: “How to Open Source Your Project: Don’t Just Open Your Repo!”.

Auch das zivilgesellschaftlich betriebene bund.dev lebt eine entsprechende OpenSource-Kultur vor. So wurden nun nach Rücksprache auch die offiziellen Informationen zu den Nutzungsbedingungen in die Dokumentation der Tagesschau-API aufgenommen.

Mobilität

Laut der Visualisierung des statistischen Bundesamtes gab es deutlich mehr Bahnreisen zwischen 30 und 300 Kilometern im Juni 2022 als im Juni 2019. Zur Erinnerung: Im Juni wurde das bundesweite 9-Euro-Ticket eingeführt. Die Rohdaten kann man sich oben rechts über das Menü an den Grafiken im Artikel als CSV herunterladen. Es gelten diese Regelungen für die Nachnutzung und Weiterverbreitung. Auf dem Dashboard Deutschland gibt es zu dem weitere mobilitätsbezogene Visualisierungen und zugehörige Daten zum Download.

Auf Basis von direkt.bahn.guru gibt es nun eine weitere Visualisierung, welche Orte von einer bestimmten Stadt aus in welchen Zeitrahmen erreichbar sind. Zu beachten: wie bei direkt.bahn.guru sind hier auch die Fernzüge enthalten, es gibt noch keinen Filter für Regionalverkehr, wie man ihn für die Nutzung des 9-Euro-Tickets bräuchte.

Was nützt der günstige Nahverkehr, wenn er nicht fährt? Wie ein Bericht im Schleswig-Holstein-Magazin offenlegt, sind mehr als 400 Gemeinden in Schleswig-Holstein im Nahverkehr abends abgehängt.

Abhilfe kann kurzfristig ein OpenSource-Routen-Planer wie digitransit schaffen. Er kommt dabei ganz ohne Erhebung von personenbezogenen Daten aus und basiert zudem auf OpenData. Und er integriert auch Car-Sharing-Angebote und Fahrgemeinschaften, wenn der letzte Bus schon weg ist. Dataport bietet nun Kommunen auch Unterstützung für das Aufsetzung von digitransit an.

Oder man setzt gleich auf das ebenfalls OpenSource verfügbare stadtnavi, das auch auf digitransit aufsetzt, aber noch ein paar Informationen und Funktionen mehr bieten kann. Wie viel Informationen und auch in gut visualisierter Form noch möglich wären, sieht man beispielsweise in Barcelona. Um dies auch in Stadtnavi umgesetzt zu bekommen, braucht man all diese Informationen als offene Daten. Weitere Ideen finden sich in dieser Diskussion.

In digitransit lassen sich auch Routen mit eigenem Fahrrad oder von Verleihstationen bezogenen Fahrrädern planen. Wie verkehrssicher diese Routen sind, sieht man allerdings nicht.

Welche Szenarien es für sichere Radverkehrsführung gäbe, kann man mit dem Tool Radwege-Check von FixMyCity durchspielen. Mit ihm lassen sich über 1.700 Führungsformen von Radwegen nach ihrer subjektiven Sicherheit vergleichen. Eine gute Diskussionsgrundlage für das nächste Gespräch mit Vekehrsplanern und in Bürgerbeteiligungen.

Energie

Im Bereich Energie stehen leider auch noch viele Daten nicht offen zur Verfügung, vor allem kleinteilige Verbrauchsdaten fehlen. So enthält das Dashboard Deutschland nur stark aggregierte Statistiken und im Marktstammdatenregister sieht man zwar, wie der Name sagt, Stammdaten zu Einheiten (z.B. Energiespeicher, Solaranlagen) und Akteuren (z.B. Anlagenbetreiber), die tatsächlichen Einspeise- und Verbrauchsdaten aber nicht. Für die intelligente dezentrale Stromerzeugung und -nutzung bräuchte man eben diese Daten gesammelt, wie der Artikel Die Energiewelt von Morgen bereits 2019 im Handbuch KI mit konkretem Anwendungsfall verdeutlicht.

Wie das Photovoltaik-Dashboard (einst im EnergyHack 2020 entstanden) für Berlin zeigt, bleiben beispielsweise bei der Solarenergie noch viele Potenziale ungenutzt. Dabei zeigen Solarkataster, wie z.B. für Nordrhein-Westfahlen, wo geeignete Dächer für Photovoltaik-Anlagen wären. Die Daten dieser Kataster sind aber leider nur teilweise OpenData und zum Teil auch veraltet, wie der Beitrag auf Open.NRW erwähnt.

Neue Offene Datensätze

Handelsregister

Seit dem 1. August sind Auskünfte beim Handelsregister nun kostenlos und es bedarf keiner Registrierung mehr. Experten begrüßen diese Änderung, äußern aber auch Kritik.

FragDenStaat hatte einst 2019 offeneregister.de im Rahmen einer Kampagne aufgesetzt, um eben auf das Fehlen eines offenen Zugangs hinzuweisen und zu demonstrieren, wie der Zugang zu einem offenen Register aussehen könnte.

Dennoch hat das nun offene Handelsregister keine programmatisch abfragbare Schnittstelle. Doch es gibt inzwischen Abhilfe von der Initiative bundesAPI. Auf Golem gibt es mehr Hintergründe.

Was man mit Handelsregister-Daten alles analyisieren kann, hatte schon Johannes Filter gezeigt, damals noch auf Basis der Daten aus offeneregister.de.

Weiter sind da die Schweizer: Ein Teil der Daten deren zentralen Firmenindexes, Zefix, ist neu als Knowledge Graph über den Linked Data Service der Bundesverwaltung, LINDAS, abrufbar. Dadurch lassen sich die im Handelsregister als aktiv eingetragenen Rechtseinheiten eindeutig referenzieren und erleichert damit Verwendung und Analyse der Daten.

Eine erste Anwendung, die diese Daten mit Straßendaten aus dem Geoportal verknüpft, gibt es schon.

Weitere Datensätze

  • Der überwiegende Teil der ab 2023 verfügbaren Neuproduktionen für das digitale Lernformat “kolleg24” wird unter der CC-Lizenz “CC BY-SA” veröffentlicht, unter anderem in der Themenwelt Lernen in der ARD Mediathek und bei ARD alpha.
  • Es gibt endlich hochauflösende Verwaltungsgrenzen für Deutschland.
  • Tipp für den nächsten Ausflug ans Meer: vorher schauen wie voll es wird. Die Roh-Daten zur Badestrandbelegung gibt es bei govdata

OpenData Lizensierung

Fund von Tobias: Das BKG erlaubt über eine Zusatzvereinbarung nun auch, die von ihm unter der “Datenlizenz Deutschland mit Namensnennung” (DL-DE/BY-2-0) veröffentlichten Datensätze für OpenStreetMap zu verwenden - die Referenz auf die Quelle im Changeset der OpenStreetMap-Bearbeitung reicht aus. Das klingt auf den ersten Blick gut, zeigt aber nur einmal mehr, dass die kurz und knapp verfassten DL-DE-Lizenzen mehr Rechtsunsicherheiten geschaffen haben als sie ausräumen.

Schlimmer ist nur noch die Lizenzierung von Mobilitätsdaten in Österreich: “Für grobe Verstöße […] wird je Verstoß eine Vertragsstrafe in Höhe von EUR 20.000,- vereinbart.”, wie Julius berichtet.

Neue OpenData Anwendungen und Werkzeuge

Termine aus der Welt der offenen Daten