Blackrot – Out in the Open März 2025

14.04.2025 von Jörg Reichert (Code for Leipzig)

Open Data

Die Antwort auf die Frage, welche hochwertigen Datensätze in Deutschland angeboten werden, gehört zu den in der High Value Datasets EU-Verordung enthaltenen Berichtspflichten. GovData, das nationale Metadatenportal für offene Verwaltungsdaten in Deutschland, hat Anfang März mit Stand 7. Februar eine entsprechende Liste von Datensätzen (für Deutschland) zusammengetragen.

In einer von einer Unternehmensberatung beauftragten Erhebung wurden die Open-Data-Warehouses von 20 größten deutschen Städten hinsichtlich Quantität, verwendeten Dateiformaten, inhaltlichen Kategorien analysiert. Die Auswertung ergab dabei, dass für Hamburg mit Abstand die meisten Datensätze vorliegen, auf ihren eigenem Datenportal mit über 8.000, in den von GovData zusammengeharvesteten Metadaten wurden sogar über 23.000 Quellen mit Hamburg-Bezug identifiziert. Die Erhebung stellte weiter fest, dass die meisten Daten in den Datenportalen in den Bereich “Umwelt und Klima” fallen, am häufigsten werden Geodaten bereitgestellt. Bei den Dateiformaten führt CSV, leider werden aber auch noch viele Datensätze als HTML oder PDF veröffentlich, die dadurch nur bedingt maschinenlesbar sind. Die Autoren der Studie bemängeln zudem die mangelnde Vielfalt der Datensätze, die zum Teil schlechte Auffindbarkeit und die großen Unterschiede bei Quantität und Qualität zwischen den Städten.

Ob nun wirklich jede Stadt und jedes Bundesland ein eigenes Datenportal braucht, ist trotzdem fraglich. Sie fühlen sich an wie das Konzept von (kuratierten) Linklisten und Webverzeichnissen (analog zu Telefonbuch und Gelbe Seiten) aus den 90-ern und 2000-ern, die dann aber schnell von Suchmaschinen abgelöst worden sind. Webseiten selbst können z.B. durch entsprechende Angabe von Metatags ihre Auffindbarkeit für die Crawler von Suchmaschinen und damit auch ihr Ranking in den Suchergebnissen verbessern. Ähnliches sollte auch Ziel für offene Datensätze sein, indem sie Standards folgen, ihre umfassende Metadaten-Angaben vorhanden und gepflegt sind. Derart selbstbeschreibend (self-contained) ist es dann egal, wo sie initial veröffentlicht werden. Vielleicht gibt es in den üblichen Suchmaschinen irgendwann auch einen Suchoperator speziell für Open-Data.

Wie auch immer, in Brandenburg ist mit dem DatenAdler ein weiteres Landes-Open-Data-Portal gelandet. Wenigstens wurde dafür die bestehende Open-Source-Software von open.bydata.de nachgenutzt.

Im jährlichen Zustandsbericht über Open Humanitarian Data wird die drohende nachlassende Verfügbarkeit von Daten beklagt. Speziell Informationen darüber wie (globale) Krisen konkret welche Menschen betreffen. Sie werden aber benötigt, um humanitäre Hilfsangebote gezielt steuern zu können. Auf Humanitarian Data Exchange (HDX) haben im Jahr 2024 216 aktive Organisationen etwa 2.500 Datensätze neu eingestellt, die den Krisen von Afghanistan zu Gaza und Sudan zugeordnet werden können. Die Daten decken Angaben zu Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, aber auch Bevölkerungszahlen und Straßen ab. Sie erfassen Abweichungen bei der landwirtschaftlichen Produktion und Auswirkungen von Überflutungen.

Digitalpolitische Forderungen an den Bundesregierung

Während im auf FragDenStaat Anfang März veröffentlichten Sondierungspapier noch schwammig von “Digitalisierung voranbringen” gesprochen wurde, haben zivilgesellschaftliche Organisationen konkrete Forderungen an die kommende Bundesregierung formuliert. Netzpolitik hat die wichtigsten zusammengestellt und auch jeweils ihre Chancen, Eingang in den Koalitionsvertrag zu finden, bewertet. Einen Entwurf für ein Bundes-Transparenzgesetz (und den damit verbundenen Rechtsanspruch auf Open Data) gäbe es dabei schon. Für eine erfolgreiche Verwaltungsdigitalisierung braucht es mehr Ressourcen und mehr technische Kompetenzen. Datenschutz und IT-Sicherheit muss bei allen Entscheidungen mitgedacht werden. Verstärkt auf Open-Source-Software zu setzen ist neben Regulierung der großen Plattformen ein Weg um sich aus der Abhängigkeit von Tech-Unternehmen aus den USA und China zu befreien. Für die 30 Organisationen muss dies Teil der digitalen Brandmauer sein. Diese wendet sich auch gegen Massenüberwachung und setzt sich für den Erhalt der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ein. In einem offenen Brief wird des Weiteren die Förderung dezentraler digitaler Plattformen angeregt. Ähnliche Punkte finden sich im Forderungspapier vom Bündnis F5. Nicht zu vergessen ist auch der Aspekt von Umwelt- und Klimaschutz, der nicht nur in der Digitalisierung (durch anhaltende KI-Verblendung) kaum noch ein Rolle zu spielen scheint. Ein Appell von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erinnert daran, dieses Thema weiterhin sehr ernst zu nehmen.

Und wie es tatsächlich lief

“Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir hingegen abschaffen.” - dieser Satz stand im Rahmen der Koalitionsverhandlungen aufgesetzten Papier der Arbeitsgruppe “Bürokratierückbau, Staatsmodernisierung, Moderne Justiz”, wie FragDenStaat mit Erschrecken auffiel. Diese Union-Forderung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der SPD geeint. Verhandlungsführer für die Union war Philipp Amthor, dessen Lobby-Tätigkeiten selbst einmal im Visier des IFG standen. Auf Netzpoltik ist die folgende breite Kritik zahlreicher Organisationen, wie unter anderem dem Deutschen Journalisten-Verband und Netzwerk Rechereche, dokumentiert. FragDenStaat selbst hatte eine Petition gestartet, die die SPD in die Pflicht nahm, dem unter keinen Umständen zustimmen. Mehr als 400.000 Menschen haben sie unterschrieben. Und der Protest hat gewirkt: im finalen Stand des Koalitionsvertrags steht nun: “Das Informationsfreiheitsgesetz in der bisherigen Form wollen wir mit einem Mehrwert für Bürgerinnen und Bürger und Verwaltung reformieren”. Dagegen soll allerdings das nationale Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz abgeschafft werden und auch der Satz “Wir verschlanken das Umwelt-Informationsgesetz” hat es leider in den Vertragstext geschafft.

Im Kapitel “Digitales” des Koalitionsvertrags finden sich einige markante Sätze (man könnte auch Buzzword-Bingo spielen): “Wir wollen eine Kultur der Datennutzung und des Datenteilens, die Datenökonomie etabliert, auf Innovation setzt und Grund- und Freiheitsrechte schützt. Dafür beseitigen wir Rechtsunsicherheiten, heben Datenschätze, fördern Daten-Ökosysteme und setzen auf Datensouveränität.” und “Wir schaffen die Grundlage, um Regelwerke, für die es sachgemäß ist, in einem Datengesetzbuch zusammenzufassen. Wir verfolgen den Grundsatz ‘public money, public data’ und gewährleisten dabei durch Datentreuhänder Vertrauen in Datenmanagement und hohe Datenqualität.” Auch “KI-Sprunginnovationen” und “Digital-Only” findet man im Text. Hintertüren hält man sich offen mit Formulierungen wie “Wo es möglich ist, schaffen wir einen Rechtsanspruch auf Open Data bei staatlichen Einrichtungen”. Organisatorisch soll die “Bundesdatenschutzbeauftragte” in “Bundesbeauftragte für Datennutzung, Datenschutz und Informationsfreiheit” umbenannt werden und aus der letzten Seite des Vertrags geht hervor, dass es ein Ministerium für “Digitalisierung und Staatsmodernisierung” unter CDU-Führung geben soll.

Verwaltungsdigitalisierung

Bleibt zu hoffen, dass die Abstimmung zwischen Digitalministerium und den restlichen Ministerien beim Querschnittsthema Digitalisierung dann auch funktionieren und auch Conway’s Law beachtet wird.

Oder wie es Jonas Bostelmann in seiner Keynote auf den Punkt gebracht hat: “Wenn 16 Leute etwas über einen Fluss transportieren wollen, würden wir nicht auf die Idee kommen, alle ein eigenes Boot zu bauen. Stattdessen bauen wir gemeinsam eine Brücke. Bei 16 Bundesländern sieht die Realität in der Softwareentwicklung aber oft anders aus.”

In ihrer Studie “Entwicklungslinien der Verwaltungsdigitalisierung in Deutschland der letzten 25 Jahre” wurden in qualitativen Interviews mit ehemaligen Entscheidungsträger:innen wiederkehrende Muster identifiziert. Aus ihnen ließen sich fünf zentrale Erkenntnisse ableiten: Politische Akteure hatten eher öffentlichkeitswirksame Schaufensterdigitalisierung statt nachhaltige Unterstützung im Sinn, die bürokratische Strukturen sind nicht transformationstauglich, es fehlen sowohl zentrale Steuerung als auch eine gute Kooperationskultur, es werden immer wieder dieselben Fehler begangen, da Selbstrechtfertigung wichtiger war als ehrlich Erfahrungen zu teilen und aus ihnen zu lernen, Verwaltungsdigitalisierung wurde nicht als Teil einer umfassenden Staatsmodernisierung begriffen, und stattdessen nur bestehendes “elektrifiziert” bzw. selektiv an “etwas Digitalem” herumgeschraubt ohne im Blick zu haben, wie man mit seinem Wirken auf das Ideal eines guten Leben für die Bürger:innen und eine funktionierende Gesellschaft hinarbeiten könnte.

Auch Iris Rauskala, Rektorin der Hochschule für Öffentliche Verwaltung und Finanzen in Ludwigsburg, hat erkannt, dass das Sammeln und die Pflege von Stammdaten nicht vergnügungssteuerpflichtig ist und dies entsprechend in den vergangenen 20 Jahren auf die lange Bank geschoben wurde.

Beim egovernment Podcast sprechen kommunale und Landes-IT-Dienstleister über das Big Picture der Verwaltungsdigitalisierung.

Überwachung

Die Koalitionsverhandlungen ließen schon Schlimmes für Grund und Freiheitsrechte erahnen. Tatsächlich in den Koalitionsvertrag geschafft hat es der Satz “Für bestimmte Zwecke sollen unsere Sicherheitsbehörden, unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben und digitaler Souveränität, die automatisierte Datenrecherche und -analyse sowie den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels Künstlicher Intelligenz, vornehmen können” und mit “Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein, um diese einem Anschlussinhaber zuordnen zu können.” auch die Vorratsdatenspeicherung.

Die Grundlagen für die Umsetzung existieren bereits. Sie befindet sich die bisher in Bayern nur pilotierte Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform (Vera) von Palantir seit dem 25. Dezember 2024 im Echtbetrieb. Und über den bereits abgeschlossenen Mantelrahmenvertrag könnte die Software auch deutschlandweit ausgerollt werden. Auch Gesundheitsdaten sollen in ihr für die Bestimmung des Gefährdungspotenzial möglicher Täter ausgewertet werden können. Großaktionär von Palantir ist übrigens der erklärte Demokratiefeind Peter Thiel, vielleicht ist das keine so gute Idee.

Lobbyismus

In die Koalitionsvertrag Eingang gefunden hat auch diese Regelung: “Die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie wird zum 01.01.2026 dauerhaft auf sieben Prozent reduziert.” Für Foodwatch hätte eine sinnvollere Mehrwertsteuer-Reform Verbraucher:innen entlasten und zudem gesunde Ernährung gefördert. Stattdessen scheint es eher ein Milliardengeschenk an die Gastro-Lobby zu sein.

Auch auf EU-Ebene ist die Einflussnahme ein Dauerthema. So ist der Umstand, dass der Finanzsektor weitgehend vom europäischen Lieferkettengesetz und somit von Sorgfaltspflichten für Umwelt und Menschenrechte ausgenommen ist, ein “Erfolg” umfangreicher Lobbyarbeit. Mit dem “Omnibus”-Paket sollen diese nun sogar dauerhaft festgeschrieben werden.

Die Finanzwende-Studie “Die Finanzdienste von Apple, Google und Co.: Ein gefährlich guter Deal” thematisiert, wie die großen Tech-Player mit ihren Diensten wie Paypal, Alipay, Apple Pay und Google Pay nicht nur wertvolle Daten über Kunden sammeln sondern systematisch die EU von sich abhängig gemacht haben. Die traditionelle Finanzaufsicht greift dabei kaum und birgt damit Risiken für die Finanzstabilität, gerade bei den aktuellen Entwicklungen in den USA. Es muss daher das bestehende Wettbewerbsrecht aktiv angewendet und öffentliche Alternativen geschaffen werden.

Auch die Heritage Foundation, Drahtzieher des Project 2025, strecken ihre Tentakel nach Europa und Deutschland aus, die hier auch schon freudig ergriffen wurden - Brüder im Geiste.

Digitale Souveränität

In der öffentliche Verwaltung

Laut Kulturwissenschaftler Michael Seemann kann nur von echter digitaler Souveränität gesprochen werden, wenn die eingesetzten Dienste “nicht der Kontrolle durch staatliche oder private Akteuren bedürfen”. Für die öffentlichen Verwaltung heißt das, wie es der IT-Planungsrat formuliert hatte, “Wechselmöglichkeit, Gestaltungsfähigkeit, Einfluss auf IT-Anbieter”. Für Stefan Kaufmann gehören dazu auch der Aufbau entsprechender Entscheidungskompetenzen in der Verwaltung selbst. Keine Lösung dagegen ist der Ruf nach “nationalen Champions”, denn damit bleibt das eigentliche Problem, dass Technologie von wenigen Riesenkonzernen kontrolliert wird, weiterhin bestehen. Echte Alternative können nur demokratisch legitimierter Akteure sein, die im Sinne gesellschaftlich wünschenswerte Ziele agieren und sich nicht an der Ressourcenverschwendung im imaginären Wettrennen der Weltregionen und Egos beteiligen. Dass das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Kooperationsvereinbarung mit der Google Cloud für sichere Cloud-Lösungen in der öffentlichen Verwaltung geschlossen hat, trägt jedenfalls nicht dazu bei. Selbst auf der Ministerpräsidentenkonferenz hat man erkannt, dass es stattdessen verbindliche offene Standards braucht. Besser dagegen ist, dass mit der 101cloud nun eine Cloud-Genossenschaft gegründet werden soll, die ihren Nutzenden gehört.

Offenes Internet in Gefahr

“Unser Internet stricken” (“Knitting Our Internet”) ist eine interaktive Reise durch die Geschichte des Internets um auch aktuelle Entwicklungen hinsichtlicher zunehmender Zentralisierung, Überwachungskapitalismus und Umweltschädigung kritisch zu hinterfragen. Auch Gerold Riedmann wagt in seinem Essay einen Blick zurück, als das Internet als geschlossene Plattform gestartet ist. Heute dominieren erneut geschlossene Plattformen, die für sich jeweils die Deutungshoheit beanspruchen. Zu mindestens wurde nun erreicht, dass Google seinen Chrome-Browser verkaufen muss.

Was jeder einzelne tun kann

Netzpolitik hat dankenswerterweise die Alternativen zusammengetragen, die man für Soziale Netzwerke, Suchmaschinen, Browser, E-Mail, Messenger, Videokonferenzsysteme, Karten und Navigation, Textverarbeitung und Tabellenkalkulation, Betriebssysteme, App-Stores aber auch für Hardware prinzipiell bestehen. Mehr Tipps gibt es auf dem Kuketz-Blog. Der gemeinnützige französische Verein Framasoft listet die Alternativen, die unter seinem Dach entstanden sind. Auf der Seite goeuropean.org werden von der Community Alternativen nicht nur zu digitalen Produkten gesammelt.

Jeder Beitrag gegen den Digitalen Kolonialismus hilft.

Open Source

Gerichte in Schleswig-Holstein können nun die Office-Alternative LibreOffice nutzen, Ende des Jahres wird es sogar Pflicht.

In Kooperation zwischen der ministeriellen Direktion für Digitales der französischen Regierung und dem deutschen ZenDiS wird mit Docs eine Open-Source-Kollaboration-Software entwickelt, die eine Alternative zu Tools wie Notion darstellt.

Auch für offene Kalender-Lösungen gibt es schon diverse Ansätze, vornehmlich natürlich Mobilizon.

Da Microsoft die Daten seiner Kunden zunehmend in die Cloud verlegt und seine Software wie wie Outlook, Office und Teams sich nicht mehr kaufen sondern nur per Abomodell mieten lassen wird, sehen sich erste Behörden nach freien Software-Alternativen um.

An anderer Stelle wird dagegen die flächendeckende Einführung von Linux behindert, weil “Linux gehört nicht zur Strategie der Bundesdruckerei”.

KI

Zwischen (Self-)Affirmation und Affiliationsbedürfnis

“Wie können wir Seriosität so simulieren, dass wir mit Wagniskapital in Milliardenhöhe vollgepumpt werden?” scheint der Ansatz der heutigen KI-Entwicklung zu sein. Und er wird belohnt, denn nicht die Maschinen halluzinieren sondern wir Menschen wollen wie bei Büchern und Filmen einfach nur gut belogen werden, damit wir glauben können, was wir glauben wollen, ohne uns anstrengen zu müssen.

Kluger-Hans-Effekt oder auch das Gedankenexperiment Chinesisches Zimmer zeigen den Unterschied zwischen Auswendiglernen und tatsächlichen Verständnis auf. So können dann KI-Systeme aus den falschen Gründen Recht haben, was nur auffällt, wenn die Aufgabenstellung leicht variiert wird, so dass die Mustererkennung nicht mehr greift.

Auch der Erfinder des Web, Tim Berners-Lee, mahnt: “Fragen Sie eine KI immer: ‘Für wen arbeitest du?’ und ‘Wessen Interessen verfolgst du mit deinen Entscheidungen?’”.

Aber so lange der KI-Hype zieht, wird auf Teufel-komm-raus KI-fiziert, wie beim KI-Phone der Telekom. Wenn es so weiter geht, gibt es bald keine KI-freien Alternativen mehr - von daher der Appell: “stop forcing AI into fucking everything”.

Macht, Manipulation und Kontrolle

Bisher hat es OpenAI unterbunden, wenn Nutzer Bilder im Stile bestimmter Künstler generieren wollte, aus der Befürchtung heraus, Urheberrechtsklagen an den Hals zu bekommen. Diese Hemmung fallen nun langsam, auch um weiterhin für Investoren attraktiv zu bleiben, und man hat einen ersten Präzedenzfall geschaffen, indem nun doch den Stil von Studio Ghibli, eines japanischen Zeichentrickfilmstudios, imitieren kann. Mit der Gewissheit des Rechts des Stärkeren wird nun die kreative Arbeit anderer in Kapital akkumuliert.

Wie eine Studie der Organisation NewsGuard ergab, enthielt mehr als ein Drittel der Antworten von KI-Chatbots wie ChatGPT prorussische Falschinformationen. Dieses sogenannte LLM-Grooming geht auf das Prawda-Netzwerk aus Moskau zurück.

Wie anfällig LLMs für Manipulationen sind, konnte der deutsche Psychologen Luke Bölling beweisen, indem er mit Gaslighting-Jailbreaks die eingebauten Sicherheitsfilter der Chatbots, um z.B. keine Anleitungen für die Herstellung für chemische Kampfstoffe auszugeben, umgehen konnte.

Auf der Plattform Lernende Systeme kann sich selbst testen, wie gut man darin ist, KI-generierte von echten Fotos zu unterscheiden.

Recherche und Wissen

Der im letzten Jahr vom Global Investigative Journalism Network (GIJN) veröffentlichte Guide zu Grundlagen des Investigativjournalismus liegt nun auch in deutscher Übersetzung vor.

Eine wilde und faszinierende Zusammenstellung von datenjournalistischen Visualisierungen finden sich mal wieder im Data Vis Dispatch.

Am 25. März wurde die 3-Millionen-Artikel-Marke in der deutschsprachigen Wikipedia geknackt und damit genau 30 Jahre, nachdem das erste Wiki-System überhaupt im Internet verfügbar gemacht wurde.

Karten

Am diesjährigen Open Data Day in Flensburg hat Thomas Tursics die Gelegenheit genutzt, die Denkmäler aus Flensburg in 3D zu modellieren. Wie es sich für OpenSource gehört, hat Tim Fangmeyer diese gleich um noch ein paar Features ergänzt und auf gleicher technischer Basis eine ähnliche Karte für das Herzogtum Lauenburg angelegt. Carsten Witt hat die Denkmaldaten als GeoJSON beigesteuert, da sie im Open-Data-Portal selbst nur als CSV bzw. JSON angeboten werden.

Im zentralen Informationssystem für Grundstückswerte in Nordrhein-Westfalen werden jedes Jahr die neuen Bodenrichtwerte für NRW veröffentlicht. Für die Stadt Düren sind diese bereits freigeschaltet. Mit BORIS-D sollen solche Daten, also Bodenrichtwerte der Gutachterausschüsse für Grundstückswerte, auch bundeslandübergreifend einheitlich und im Web leicht zugänglich gemacht werden.

Nach einer Alternative müssen sich die Benutzer der beliebten Outdoor-Routenplanungs-App Komoot umsehen. Diese wurde nämlich durch die Firma Bending Spoons aufgekauft und deren Gebahren bei ihren bisherigen Übernahmen verheißt nichts Gutes.

Über eine interaktive Karte wurde versucht, die Ereignisse bei der Großdemo in Belgrad am 15. März nachzuvollziehen. Videoaufnahmen und Augenzeugenberichte legen nahe, dass die Regierung Schallwaffen gegen die Demonstranten eingesetzt haben könnte.

Auf den Chemnitzer Linuxtagen wurde unter anderem die “Surveillance under Surveillance”-Karte in einem Vortrag vorgestellt.

Nur durch Aufgabe der Sektorziele, wie der Ziele im Sektor Verkehr, konnte Deutschland zuletzt zu mindestens rechnerisch seine Klimaziele erreichen. Dass man immer noch so sehr abhängig vom Auto ist, zeigt eine neue Greenpeace-Analyse, die den Zugang zum öffentlichen Nahverkehr untersucht hat. Aus der interaktiven Karte ist leicht das große Stadt-Land-Gefälle ersichtlich, aber auch eine schlechte finanzielle Ausstattung von Kommunen und die jeweiligen politischen Rahmenbedingungen wirken sich auf das ÖPNV-Angebot aus.

Klima

Emissionen

Die Publikation “Treibhausgas-Projektionen 2025 – Ergebnisse kompakt” erklärt die langfristige Emissionsentwicklung. So wird das gesetzliche Emissionsbudget zwar eingehalten, Handlungsbedarf besteht weiter bei Verkehr, Gebäuden & natürlichen Senken. Und wie es aus einer Kleinen Anfrage hervorgeht, auch bei der Bundes-IT.

Eine neue Studie unter Einbindung von Luftqualitätssensoren hat an Hand von Messungen in der Innenstadt von Los Angeles ermittelt, dass dort Grünflächen und insbesondere Stadtbäume, insbesondere während ihrer Wachstumsperiode, überraschende 60% der CO2-Emissionen ausgleichen konnte.

Erwärmung

Erkenntnisse, von denen man in Berlin weit entfernt zu sein scheint. Der gerade neu sanierte Gendarmenmarkt ist eine baumlose 14.000qm Steinwüste. Im Thread wird auch auf historische Aufnahme des Platzes Bezug genommen, wo er deutlich grüner gestaltet war. In der jetzigen Gestalt wird er sich im Sommer stark aufheizen. Dem kann man eigentlich nur noch mit schwarzen Humor begegnen. In Paris soll dagegen 50% des Place de la Concorde entsiegelt und durch das Pflanzen von Wiesen, Blumen und 131 Bäume in einen grünen “Gartenplatz” und eine Fußgängerzone verwandelt werden. Durch diese Maßnahmen wird im Sommer der Boden um 8 Grad abkühlt.

Weltmeere

Nicht nur die Meeresoberfläche war im vergangenen Jahr so heiß wie nie (im Schnitt 0,6 Grad wärmer als in der Zeit von 1980 bis 2010), sondern auch die Temperaturen der obersten zweitausend Meter des Meerwassers waren im Jahr 2024 dramatisch. Und das hat Folgen: wärmeres Wasser dehnt sich stärker aus und trägt neben dem Abschmelzen der Polkappen somit zum steigenden Meeresspiegel bei. Wie die NASA beobachtet hat, hat sich das Verhältnis der beiden Effekten umgekehrt. Nun macht die Ausdehnung durch Wärme zwei Drittel des Anstiegs aus. Auch im Meer selbst leiden Tiere und Pflanzen unter den dauerhaft neuen Bedingungen, zum einen, weil sie an bestimmte Temperaturen angepasst sind zum anderen aber auch an den in wärmeren Wasser sinkenden Sauerstoffgehalt. Wie sich der Meeresanstieg auf Küstenorte auswirken wird, hat Dänemark an mindestens 15 Orten im Land durch eine ungewöhnliche Maßnahme veranschaulicht: an ihnen stehen Sitzbänke, die auf eine Höhe von 1,35 Meter eingestellt sind, also genau die Höhe, auf die der Meeresspiegel bis zum Jahr 2100 steigen könnte.

Wetterextreme

Die steigenden Meeresoberflächentemperaturen bringen auch den Wasserkreislauf auf der Erde aus dem Gleichgewicht, wodurch Überschwemmungen, Wirbelstürme und Dürren zunehmen. Der Dürremonitor Deutschland als auch der Bodenfeuchteviewer des Deutschen Wetterdienstes (DWD) dokumentieren gerade die im vergangenen März extrem trockenen Oberböden in Deutschland. Dass dies ein dauerhaftes Problem ist, belegt eine Science-Studie, die herausgefunden hat, dass weltweit seit der Jahrtausendwende die Bodenfeuchte um insgesamt rund 2600 Milliarden Tonnen gesunken ist. Ein Umstand, der noch verstärkt wird, wenn Landwirte mangels fallenden Regens das Grundwasser abpumpen, um mit ihm ihre Felder zu bewässern. Gleichzeitig nimmt aber trotzdem auch die Wahrscheinlichkeit für Starkregenereignisse zu. So zeigt eine neue interaktive Karte detailliert die Gefahrenzonen in zwölf Bundesländern.

Artensterben

Das Citizen-Science-Projekt “Frosch im Wassertropfen” untersuchte im vergangenen Jahr die Vielfalt von Amphibien in Österreich und zwar allein an Hand von gefundenen DNA-Spuren in Wasserproben. Dass sich auch das Insektensterben weiter ungebremst fortsetzt haben neueste Untersuchungen Krefelder Forscher ergeben.

Wirtschaft

Die Auswirkungen der der Klimakrise spüren die Menschen inzwischen auch deutlich im Geldbeutel: wegen Kakao-Missernten befindet sich der Schokoladenpreis auf Rekordniveau. Wenn in Folge Kleinbauern den Kakao-Anbau ganz aufgeben sowie generell Börsen-Spekulationen mit tropischen Produkten wie Kakao, Kaffee und Palmöl werden die Preise in Zukunft weiter steigen lassen.

Die Emissionen müssen also dringend runter, um den Klimawandel zu verlangsamen. Um dafür Anreize zu schaffen wurde unter anderem der Emissionshandel eingeführt, bei dem Unternehmen für jede ausgestoßene Tonne Kohlenstoffdioxid den sogenannten CO2-Preis zahlen müssen. Diese Mehrkosten werden aber in der Regel versucht auf die Endverbraucher:innen umzulegen. Um solche finanzielle Belastung abzumildern ohne die beabsichtigte Lenkungswirkung zu stören, könnte ein Klimageld helfen, das leider bisher nicht eingeführt wurde. Mit dem in dieser MAITHINK-X-Folge vorgestellten Klimageld-Rechner kann man sich die Höhe trotzdem schonmal für den eigenen Haushalt ausrechnen.

Recap

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