Civic Washing – Out in the Open November 2023

04.12.2023 von Jörg Reichert (Code for Leipzig) et al.

Arbeiten mit (offenen) Daten

In der neuen Podcast-Serie “Open Data Cafe” werden (auf Englisch) wichtige Fragen rund um Open Data diskutiert und besprochen. Experten auf dem Gebiet berichten in den Interviews über ihre Tätigkeit und Arbeit an Offenen Daten. Die Serie ist eine Initiative von data.europa.eu.

Ebenfalls auf den Seiten des europäischen Datenportals wurde der Leitfaden zum Thema Datenvisualisierung veröffentlicht. Sein Autor Maarten Lambrechts weist auf Mastodon auch auf die vielen in ihm enthaltenen Beispiele hin.

Während der SWR dieses Jahr ein neues DataLab für Datenjournalismus aufgebaut hat, wird das Datenjournalismus-Team von rbb24 überraschend und ohne öffentliche Begründung eingestellt. Als ehemaliges Mitglied der Redaktion beschreibt Journalist Haluka Maier-Borst auf persönliche Art und Weise, warum ihn das abrupte Ende ärgert und und warum berufliche Misserfolge nicht das Ende des Karrierewegs bedeuten müssen.

Der Wert offener Daten

Eine neue 3-seitige Handreichung der Open Data Informationsstelle Berlin (ODIS) fasst die Vorteile und Potenziale offener Daten, die für die öffentliche Verwaltung selbst bestehen, zusammen, wie der Blog des Citylab Berlins berichtet.

In Augsburg hat man diese offenbar ebenfalls erkannt. So verkündete Horst Thieme auf Mastodon, dass nun auch die Fuggerstadt ein OpenData-Portal betreibt. Interessant sind dabei auch die Aussagen der Oberbürgermeisterin Eva Weber, “Wissen vermehrt sich, wenn es geteilt wird”, sowie des Wirtschaftsreferenten Dr. Wolfgang Hübschle, “Mit offenen Daten schaffen wir einen Nährboden für wirtschaftliches Wachstum und stärken die demokratische Beteiligung.” (Vielleicht auch wieder ein guter Anlass, eine aktuelle Studie zum (wirtschaftlichen) Nutzen von Open Data durchzuführen? Stefan Oderbolz sind jedenfalls nur Studien älteren Datums bekannt).

Genügend Handlungsdruck ist also da, denn durch das Inkrafttreten der europäischen Durchführungsverordnung zu hochwertigen Datensätzen (HVD) sind öffentliche Einrichtungen verpflichtet, spätestens ab dem 9. Juni 2024 entsprechende Daten kostenlos und maschinenlesbar bereitzustellen, wie auch aus dem entsprechenden FAQ hervorgeht. Im Anhang der Verordnung ist auch detailliert aufgeführt, wie dies für die Datensätze aus den Kategorien 11.“Georaum”, “Erdbeobachtung und Umwelt”, “Meteorologie”, “Statistik”, “Unternehmen und Eigentümerschaft von Unternehmen” und “Mobilität” konkret zu erfolgen hat. (Wie Mister Open Data auf seinem Blog ausführt, gibt es aber auch andere Kategorisierungssysteme für offene Verwaltungsdaten).

In einer Online-Diskussion, veranstaltet von digitaler-staat.online, wurde darüber debattiert, wie diese EU-Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden können und welche Auswirkungen sich dadurch auf das Datenmanagement in öffentlicher Einrichtungen in technischer, rechtlicher und kultureller Hinsicht ergeben, z.B. auch beim Teilen von Expertenwissen untereinander.

Klima

Mit der neuen Webseite OpenPV kann man in Bayern das Potential für eine eigene Solaranlage ermitteln. Die für das Projekt verwendeten 3D-Gebäudemodelle “Level of Detail 2” (LoD2) stammen dabei vom OpenData Portal der Bayerischen Vermessungsverwaltung und haben den Stand vom März 2023. Leider keine Selbstverständlichkeit in Deutschland, denn wie Florian Kotthoff anmerkt, müsste er in Baden Württemberg 172.000 € für den entsprechenden Datensatz bezahlen.

Die Grafiken, die das weitere Abschmelzen der Polkappen dokumentieren, wurden mit den Werten bis Oktober 2023 aktualisiert.

Mobilität

Das Eckpunktepapier für das geplante Mobilitätsdatengesetz der Bundesregierung ist laut Stefan Kaufmann besser als erwartet. Im Raum stehen allerdings noch die Forderung nach einer Lizenz mit verpflichtender Namensnennung für Datenlieferanten sowie die Forderung nach einer Ratenlimitierung für Echtzeitdaten, über die eine Bezahlschranke durch die Hintertür drohen könnte. Dabei gibt es sowohl für die Datenqualitätssicherung als auch für die (Über-)Lastverteilungsproblematik bessere Lösungen, die ohne Registerungs-/Login-Pflicht für den Datenabruf auskämen und damit keine unnötigen Hürden für die Datenutzung aufbauten. Die Verpflichtung dazu, dass sich Tickets durch beliebige Apps buchen ließen, und damit wirkliche intermodale Mobilität zur ermöglichen, fehlt dagegen im Papier.

So ist beispielsweise der WDR-Reichweiten-Checker, der für eine gewählte Stadt in NRW anzeigt, welche Haltestellen von dieser in einer Stunde erreichbar sind, auf öffentliche Verkehrsmittel beschränkt. Vielleicht gibt es ja nach Umsetzung des Mobilitätsdatengesetzes auch eine Version, in die dann auch die Daten von Taxen, Mietwagen und Poolingfahrzeuge mit einfließen.

Um die Qualität von Radfahrinfrastruktur-Datensätze aus OpenStreetMap und anderen Quellen reproduzierbar zu bewerten, gibt es nun mit BikeDNA ein OpenSource-Werkzeug, wie Robin Lovelace lobend erwähnt.

Auch für den ruhenden Verkehr gibt es Neuigkeiten: Der im eUVM-Forschungsprojekt 2022/23 erstellte Datensatz umfasst alle Parkflächen im öffentlichen Straßenraum innerhalb des Berliner S-Bahnringes sowie ausgewählte, angrenzende Gebiete.

Anita Glaser lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die MobilityDB, ein Datenbankmanagementsystem, das PostgreSQL und seine Erweiterung PostGIS um die Unterstützung von Objekten mit Zeitbezug ergänzt, wie z.B. GPS-Spuren.

Linked Open Data

Neues Futter für alle Wissbegierigen im Bereich semantische Daten: Alle Videomitschnitte und weitere Dokumentation der Veranstaltung Data Modelling Days 2023 stehen zum Abruf bereit.

Wer sich für den Einsatz von Ontologien im Geodaten-Bereich interessiert, dem sei das Open-Access-Buch Spatial Linked Data Infrastructures, dessen Aktualisierung der Autor Luís Moreira de Sousa vermeldete, ans Herz gelegt.

Apropos GeoDaten, laut Saber Razmjooei’s LinkedIn-Beitrag ist es nun auch möglich, das beliebte OpenSource-Geoinformationssystem QGIS im Webbrowser zu öffnen (anstatt es installieren zu müssen).

KI

Nachdem es mit OpenAIs CustomGPTs nun möglich ist, für spezielle Zwecke angepasste ChatGPT-Versionen zu bauen, hat dies Stefan Grotz gleich zum Anlass genommen, einen OpenDataGermanyGPT zu programmieren, also einen GPT, der auf den Inhalten der Open-Data-Portale in der D-A-CH-Region über CKAN APIs und SPARQL-Anfragen operieren kann. Allerdings ist ein kostenpflichtiges ChatGPT-Plus-Konto für die Nutzung erforderlich.

Einen ähnlichen Weg beschreitet der Opendata Buddy, der im Rahmen eines Hackathons als Proof-of-Concept entstanden ist und die Schnittstelle des österreichischen Open-Data-Portals data.gv.at nutzt.

Man ist also wieder von ChatGPT, bzw. von OpenAI, abhängig. Das KI-Forschungsnetzwerk LAION findet, dass künstliche Intelligenz ein öffentliches Gut und frei erforschbar sein sollte und stellt daher seine Datensätze zum Trainieren großer KI-Modelle zur freien Verfügung und entwickelt selbst auch offene KI-Modelle. Ein Interview mit den Gründern findet ihr in diesem Spektrum-Artikel.

Smart Country Convention

Veranstaltet vom Branchenverband der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom e.V. fand wie jedes Jahr im November die Smart Country Convention statt, ein Kongress zur Vernetzungs der Akteure in der Digitalisierung im öffentlichen Sektor.

Es bleibt eine Messe, auf der sich mehr oder minder große IT-Firmen und ähnliche Aussteller rein werbend präsentieren. Entsprechend hoch war die Buzzword-Dichte rund um “Smart City”, “KI”, “Cloud”, “Digitale Souveränität”, “Datenräume”, “Innovation” und “Cyber Security”, um die eher IT-unaffinen und Hype-Empfänglichen zu beeindrucken. In den letzten Jahren gesellen sich nun auch “Open Source”, “Open Data”, “Partizipation” und “Gemeinwohl” als Schlagworte hinzu. Weil es gut klingt - und vom einen oder anderen vielleicht sogar auch verstanden wurde.

Wie auch immer, der Open-Data-Community wird inzwischen immerhin Raum auf der Konferenz einräumt, das Open-Data-Klassentreffen ist ein fester Bestandteil des Events und alle Open-Data-Sessions sind gut besucht. Thomas Tursics präsentiert unter anderem einen ersten Prototyp des GovData Monitor, ein Dashboard, das den aktuellen Stand von offenen Daten in Deutschland abbilden soll, die über GovData zu Verfügung gestellt werden.

Das ODIS Berlin blickt hier auf seine Highlights der Konferenz zurück.

Alle Videos der drei Tage sind hier abrufbar. Speziell zu Open Data waren diese Sessions angelegt:

Es bleibt dennoch der Eindruck zurück, dass viele Teilnehmer:innen noch den Gedanken des New Public Management anhängen und vieles nach seiner wirtschaftlichen Verwertung bemessen wird.

So hat auch der Wiedergänger ProjectTogether, die schon mit Update Deutschland unangenehm aufgefallen sind, mit Re:Form Staat, einer selbst ernannten Allianz für den Staat von morgen, eine neue Marketing-Nebelkerze am Start. Shiny Webseite mit oberflächlichen Feel-Good-Botschaften, Menschen, die sich wichtig fühlen und Geschäftigkeit vortäuschen können. Und ein bisschen Geld für Beratungsleistungen fließt auch noch. Nur die eigentlichen Probleme werden auch dieses Mal nicht gelöst (und das sollen sie auch nicht). Stefan Kaufmann kommentiert dies treffend in seinem Blogbeitrag Verwaltungsdigitalisierungsinfluencer vs. ArchitektInnen.

Civic-Coding / Civic-Data

In die gleiche Kategorie könnten die neu gestarteten Initiativen Civic Coding – Innovationsnetz KI für das Gemeinwohl und Civic Data fallen.

Civic Coding wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV) ins Leben gerufen.

Das Leitbild von Civic Coding kann man hier nachlesen. Klingt alles nicht falsch und trotzdem stößt die Buzzword-Dichte übel auf. Auch die Fokussierung auf KI folgt dem Denkansatz: Ich habe hier eine Lösung (“KI”), finde das passende Problem.

Ähnlich sieht es mit Civic Data aus. Hinter Civic Data steht die Gesellschaft für Informatik e.V., Correl Aid e.V. und der Deutsche Caritasverband e.V.

Was das Civic Data Lab ist, wird in diesem Video vorgestellt, weitere Graphic Recordings gibt es unter anderem hier zu sehen. Zudem gibt es mit der Civic Data Lab Community ein Online-Forum, dem man beitreten kann.

Einige Workshops gab es schon, weitere sind geplant. Was auffällt, ist, dass diese bisher werktags zur Kernarbeitszeiten stattfanden (z.B. Dienstag, 12.12. 9-13 Uhr). Wer von der Zivilgesellschaft soll daran teilnehmen (außer die, die das Vollzeit machen)?

Viele unklare Fragen. Man kann versuchen, sich trotzdem einzubringen, ob es etwas bringt, wird sich zeigen.

OpenData-Adventskalender

Dezember ist auch Zeit des Türchen-Öffnens des Adventskalenders. Manches Open-Data-Portal hat sich das zum Anlass genommen, uns jeden Tag mit neuen Datensätze zu beschenken. Einmal hier und einmal hier.

Und sonst so?

Wie zu jedem Jahresabschluss hat auch dieses Jahr FragDenStaat einen kreativen Weg gefunden, um für Spenden zu werben (wurde auf Mastodon auch als Jahres-End-Cringe bezeichnet).

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