Form follows function – Out in the Open Oktober 2022

07.11.2022 von Klara Juhl (Code for Osnabrück), Jörg Reichert (Code for Leipzig)

10 Jahre Wikidata

Die freie Wissensdatenbank Wikidata wird 10 Jahre alt! Zum runden Geburtstag gibt’s ein Jubiläumsvideo, in dem Menschen aus aller Welt Grüße schicken. Fast zugleich überschritt die Zahl der auf Wikidata verzeichneten Datenelemente die Marke von 100.000.000. Während ihres Bestehens hat sich die Wikidata zur größten kollaborativen Sammlung offener Daten weltweit entwickelt und ist unverzichtbar geworden. Franziska Heine, die geschäftsführende Vorständin von Wikimedia DE, fasst es so zusammen: “Daten können unser Leben so sehr bereichern – wenn sie offen, verlinkbar und maschinenlesbar bereitgestellt werden. Kein anderer Ort im Netz schafft das so überzeugend wie Wikidata.” Damit die Datenbank bleibt, was sie ist, hat Wikidata selbst zehn Möglichkeiten zur Mitarbeit aufgelistet. Auf viele weitere Jahre!

Die akuten Probleme der stagnierenden Anzahl der regelmäßig Beitragenden auf Wikipedia, die fehlende Repräsentativität dieser (hauptsächlich männliche Autoren), die zum Teil als unfreundlich empfundenen Umgangsformen auf den Diskussionsseiten, aber auch die ausbleibende oder nur verzögerte Korrektur veralteter, falscher oder einseitiger Darstellungen betreffen in der Regel eher Wikipedia-Artikel. In Wikidata werden zwar eher Faktendaten abgebildet, sodass nicht so viele Diskussionen zu erwarten sind, dennoch gibt es hier auch noch viele Lücken zu füllen.

Leonhard Dobusch diskutiert daher in seinem Artikel auf Netzpolitik, ob nicht an den bestehenden Regeln der reinen Ehrenamtlichkeit bei Autor:innen und Administrator:innen gerüttelt werden und stattdessen eine stärkere Integration von Ehren- und Hauptamtlichen angestrebt werden sollte.

Bundestransparenzgesetz

Stefan Böhm vom Chaos Computer Club Freiburg fordert in seinem Standpunkt Transparenzgesetze, die die Verwaltung automatisch zur Veröffentlichung von Daten und Informationen verpflichten. Das gilt seiner Meinung nach auch für Live-Daten von Sensoren, für die keine urheberrechtlich relevante Schöpfungshöhe und damit auch kein Eigentumsanspruch erkennbar sei. Sie sollten daher wie die historischen Messwerte frei zugänglich gemacht werden.

Passend dazu haben neun NGOs einen Entwurf für ein Transparenzgesetz vorgelegt, wie die taz berichtet. Darin wird gefordert, dass Anfragen von Bürger:innen künftig kostenlos und innerhalb von 15 Tagen (statt bisher in einem Monat) beantwortet werden müssen. Außerdem sollen private Organisationen, die öffentliche Aufgaben erfüllen, ebenfalls zur Transparenz verpflichtet werden. Das würde dann beispielsweise auch auf die Deutsche Bahn AG zutreffen. Veröffentlichungspflicht soll auch für Verträge des Staates gelten, in denen es um mehr als 100.000 Euro geht.

Für den Hauptgeschäftsführer des Landkreistags, Prof. Dr. Alexis von Komorowski, kommt die Forderung nach einem Transparenzgesetz allerdings zur absoluten Unzeit, da diese seiner Meinung nach mit massiven Mehraufwänden für die Kommunen verbunden wäre, wie in der Pressemitteilung des Landkreistags Baden-Würtemberg nachzulesen ist. Dem widerspricht Bianca Kastl auf Twitter, denn bei guten digitalen Prozessen entstehen offene Daten ohne zusätzliche Aufwände einfach als Nebenprodukt.

Dateninstitut

Am 14. Oktober wurden die Mitglieder der Gründungskommission für ein Dateninstitut berufen und mit der Konsultation der verschiedenen Interessensgruppen begonnen. Ingo Dachwitz findet aber, dass viele Versprechen von diesem Institut nicht eingelöst werden, wie er auf Netzpolitik ausführt. So soll es sich nun doch nicht nur auf Open Data konzentrieren, sondern die gesamte Datenlandschaft in Deutschland in den Blick nehmen. Dabei ist aber die Unabhängigkeit von politischen Einflüssen aber auch von zu starken Eigeninteressen entscheidend für das Vertrauen in das Institut als glaubwürdiger Vermittler zwischen Interessen. Würde das Dateninstitut selbst Datentreuhänder und Datendrehscheibe werden, wäre diese Unabhängigkeit nicht mehr gegeben. Stattdessen sollte sich das Institut auf seinen Bildungsanspruch beschränken und so z.B. Akteure aus Zivilgesellschaft mit entsprechenden Informations- und Bildungsangeboten befähigen, die Daten aus den bestehende Registern zu entdecken und zu nutzen.

Auch Aline Blankertz und Stefan Kaufmann diskutieren in ihrem Beitrag welche Aufgaben das Dateninstitut übernehmen könnte und welche es nicht übernehmen sollte.

Es wird sich auf zeigen, wie das Zusammenspiel mit den schon bestehden Akteuren, wie dem Kompetenzzentrum Open Data, Govdata, dem Statistisches Bundesamt, aber auch mit der Zivilgesellschaft wie bund.dev in der Realität funktionieren wird. Dann muss eine solche Kommunikation nicht mehr über Parodie-Accounts wie daten_institut satirisch vorgespielt werden, wie in der Reaktion auf die bund.dev-Einladung, die Serverkosten zu übernehmen.

Dennoch fragt man sich, ob die Schaffung immer neuer separater Institute und damit verbundener, neuer hierarchischer Organisationsstrukturen der richtige Ansatz ist. Querschnittsthemen, die in vielen Behörden relevant sind, gehören auch auf alle Akteur:innen verteilt. Wenn in jeder dieser Behörden jemand explizit für Daten, insbesondere Open Data, veranwortlich ist und der behördenübergreifende Erfahrungsaustausch dieser Verantwortlichen z. B. über eine Community of Practice (CoP) erfolgt, würde das die Kommunikation und die Verbreitung sowie Verteilung des Wissens viel mehr fördern. Ähnlich wird das auch in diesem Thread diskutiert und auch der ursprüngliche Vorschlag von Govdata sprach sich für einen Bottom-Up-Ansatz aus.

Smart Country Convention

Auf der diesjährigen Smart Country Convention wurde unter anderem der Stand von Open Data in Deutschland diskutiert. Auch die “Schurkenstadt” Ulm™ präsentierte sich dort mit den Schlagworten “offen, nachhaltig, clever und für alle”. Wie weit sich das mit dem andauernden Konflikt mit den Ehrenamtlichen vom Verschwörhaus, der nun anstehenden Klage wegen einer angeblichen Markenrechtsverletzung und öffentlichen Aussagen des Oberbürgermeisters (“zwei handvoll Durchgeknallte”) verträgt, mag jeder für sich selbst beurteilen.

Im Vorfeld der Convention wurde auch wieder der Smart City Index veröffentlicht. Die Aussagekraft und Anreize, die dieser setzt, bleiben aber zweifelhaft. So mögen die gewählten Indikatoren (im ausführlichen Bericht, Seite 7, gelistet) quantitativ leicht messbar gewesen sein (die Werte werden im übrigen von den Städten selbst geliefert und mit Quellen belegt), das reine Vorhandensein bestimmter Einrichtungen sagt jedoch nichts über deren Qualität und Sinnhaftigkeit aus (bzw. was dabei auch die Leistung der Stadtverwaltung daran gewesen ist), was die Bitkom auch selbst zugibt. Die Presse berichtete denoch gerne über den Auf- und Abstieg der jeweiligen Städte im Ranking, meist allerdings ohne die, durchaus nötige, Differenzierung und Einordnung.

Sinkender Grundwasserspiegel

Für viele war es bisher selbstverständlich verfügbar, dieser Sommer hat jedoch ein ganz anderes Bild gezeichnet: Das Grundwasser in Deutschland wird knapper. Das liegt nicht nur am fehlenden Niederschlag, sondern auch an der gestiegenen Wasserentnahme. Die CORRECTIV-Redaktion wollte wissen, welche Unternehmen wie viel Grundwasser verbrauchen - und scheiterte an den Mauern der deutschen Behörden. Überhaupt sind offene Daten zu den Grundwasserständen in Deutschland schwer zusammenzutragen, da es keine einheitliche Datenerhebung gibt (dabei wären die aus einer guten Datengrundlage resultierenden Erkenntnisse so wichtig). CORRECTIV haben sich dennoch durch die verstreuten Datensätze gekämpft und einen Grundwasser-Atlas erstellt. Die während der Recherche für über 25.000 Grundwassermessstellen gesammelten Stammdaten stehen als Open Data auf GitHub bereit.

Mobilität

Seit knapp einem Jahr stellt das Land Schleswig-Holstein maschinenlesbare Daten zur Verkehrslage zur Verfügung. Diese sind bislang eher wenig bekannt. @MisterOpenData stellt den Datensatz in einem Blogbeitrag vor. Da allerdings in der zugehörigen GeoJSON-Datei lediglich die Koordinaten angegeben sind, hat er die Zuordnung zu den richtigen Straßennamen in einem JavaScript-Programm gleich nachgeliefert.

In Herrenberg wurden 15 Proband:innen und ihre Fahrräder mit einem OpenBikeSensor und einem Stress-Sensor ausgerüstet. Die gesammelten Daten sollen Orte mit Gefahrenpotenzial identifizieren. Auch in Berlin und Leipzig tut sich etwas: Beide Städte haben neue Fahrradzählstellen bekommen. Die Berliner Zählstellen werden auf einer Karte visualisiert; die Ergebnisse werden zudem einmal jährlich im Excel-Format zur Verfügung gestellt. Die Stadt Leipzig stellt die Zählungen in einem Dashboard dar.

Datenstories

Um das 1,5 Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, darf jeder Mensch im Jahr 2030 nur noch 2,3 Tonnen CO2 verbrauchen. Um dieser abstrakten Zahl ein Bild zu geben, hat das Funke Interaktiv-Team ein neues Projekt umgesetzt: Mit einem Online-Tool lässt sich durchspielen, was in das genannte CO2-Budget passt.

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